Diese Sammlung politischer Lieder, 1841 in Zürich erschienen, erregte in ihm verwandte, doch ganz eigene Töne, die er vom Sommer 1843 an in Versform brachte. Ende des Jahres erschien von ihm in den Blättern für literarische Unterhaltung die erste einer Reihe ausführlicher Rezensionen zu Erzählwerken des nach liberalen Anfängen immer mehr zum Konservativismus neigenden Schweizer Dichters Jeremias Gotthelf. Nach der Ernennung Kellers begann in der Presse ein Rätselraten: Warum war er seinen Mitbewerbern, erfahrenen Juristen und Verwaltungsleuten, vorgezogen worden? Conrad Gessner (50 Franken) | Keller machte Schulden und musste seine Mutter um Unterstützung bitten, die sie ihm wiederholt gewährte, zuletzt mit geliehenem Geld. Was ihn in Berlin festhielt, waren seine Schulden und die Hoffnung, sich durch Schreiben letztendlich doch noch eine Existenz gründen zu können. Über Kellers Prosa schrieb er darin: Im gleichen Jahr bemerkte Hermann Hesse zur Neuausgabe der frühen Gedichte Kellers: Mindestens ein Kellersches Gedicht gelangte außerhalb der Schweiz zu hohen politischen Ehren: Die öffentlichen Verleumder. Eingeleitet wurde die Umwälzung durch die Pamphlete des Zürcher Rechtsanwalts Friedrich Locher (1820–1911), welche mit einem Gemisch aus Wahrheit und Lüge das Ansehen Eschers und einiger seiner Gefolgsleute schwer beschädigten. [114] In Menschliches Allzumenschliches zählte Friedrich Nietzsche 1879 Die Leute von Seldwyla zum „Schatz der deutschen Prosa“ und zu den Büchern, die „wieder und wieder gelesen zu werden“ verdienen.[115]. Besonders mochte es den politisch engagierten Keller schmerzen, dass er auch von der Mitarbeit am staatlichen Umbau der Schweiz, der nach der Niederwerfung des Sonderbunds 1847–48 energisch vollzogen wurde, mangels Vorbildung ausgeschlossen war. Er glückte und wurde in der Öffentlichkeit halb ärgerlich, halb beifällig als „Geniestreich“ aufgenommen. In seinem Erinnerungsbuch von 1977 gedenkt er seines Schwurs mit den Worten: 1927 ehrte Walter Benjamin Fränkels kritische Gesamtausgabe mit einem Essay. Fröbel erkannte das poetische Talent und empfahl Keller an Adolf Ludwig Follen, einen ehemaligen Burschenschafter und Teilnehmer am Wartburgfest von 1818, der, in Deutschland als Demagoge verfolgt, seit 1822 in der Schweiz lebte und eine vermögende Schweizerin geheiratet hatte. Zuletzt musste er einen großen Teil seiner Arbeiten an einen Trödler verkaufen, um die Mittel zur Heimreise zu erwerben. Leibärzte befanden sich schon seit der Antike in einer hervorgehobenen und verantwortungsvollen Position. Am 5. Gottfried Keller hatte eine Selbstbiografie verfasst, die bei Professor und Privatdozent für deutsche Literatur Julius Stiefel (1847–1908) zwischenzeitlich aufbewahrt wurde.[111]. [95] Die Skepsis schien berechtigt, als Keller am 23. Unter dem Eindruck der politischen Lyrik des Vormärz entdeckte er sein dichterisches Talent. Bald darauf kaufte Kellers Vater das Haus „Zur Sichel“. [30], Zu Johanna Kapp, der künstlerisch begabten Tochter Christian Kapps, Malschülerin von Bernhard Fries und im Begriff, diesem nach München zu folgen, fasste Keller eine tiefe Zuneigung. Die Tätigkeit der Gründer des modernen Bundesstaats, Jonas Furrer und Alfred Escher, die er von einem Volontariat auf der Zürcher Staatskanzlei her kannte, erfüllte ihn mit Hochachtung: „Strenge Studien“, „marmorfeste Form“ – wonach es den Autodidakten Keller dringend verlangte, war eine Gelegenheit, die versäumte Bildung nachzuholen und damit seinem Leben einen festeren Halt zu geben. Gottfried Keller verliebte sich in im Winter 1854/55 leidenschaftlich in Betty Tendering, die seine Liebe jedoch nicht erwiderte. Jetzt auf den Livestream unserer Cams schauen! Die Buchausgabe umfasst die Erzählungen Hadlaub, Der Narr auf Manegg, Der Landvogt von Greifensee, Das Fähnlein der sieben Aufrechten und Ursula. Martin Salander, Novellenzyklen Die Berlocken, Gedichte [47] In der Tat hielt er sich anfangs eher an Landsleute, Süddeutsche und Rheinländer, die sich in Berliner Wein- und Bierstuben trafen, unter ihnen der Naturwissenschaftler Christian Heußer und der Bildhauer Hermann Heidel. [32] Ende April 1850 erreichte Keller Berlin und bezog unter den misstrauischen Blicken der Hinckeldeyschen Polizei[33] eine Wohnung nahe am Gendarmenmarkt in Sichtweite des Königlichen Schauspielhauses. Die Bewegung erreichte Ende 1867 ihren Gipfel, mündete aber, nachdem Locher ausgeschaltet war, rasch in konstruktive Bahnen. Im Übrigen sah Keller die tragische Schauspielkunst eher im Niedergang begriffen, die komische dagegen im Aufschwung. Ab 1889 brachte Hertz, der Weiberts Rechte an der endgültigen Fassung des Grünen Heinrich erworben hatte, Kellers Gesammelte Werke heraus. Scheuchzer (1787–1864), beide aus Glattfelden im Norden des Kantons Zürich. Auch für den Verleger Eduard Vieweg war der Der grüne Heinrich zur Nervenprobe geworden: fünf Jahre lang hatte er seinen Autor weder durch Drohungen noch durch Lockungen dazu bringen können, Manuskripte zum versprochenen Zeitpunkt abzuliefern. 1823 wurde er zum Obmann der Drechslerinnung gewählt. Einige der schönsten von Kellers neu entstandenen Gedichten handeln von diesem Liebesunglück, darunter die Verse auf die Heidelberger Alte Brücke.[31]. [61] Gleichwohl zahlte er dem Autor das Honorar eines Anfängers: „Wenn an diesem Buch der Bogen nicht 1½ Louis d’or wert ist, während Sachen, die tausend mal schlechter sind, mit 4 und 6 Louis d’or bezahlt werden, so heißt das, meine Arbeit heruntersetzen und unter die Füße treten“, beklagte sich dieser. Kategorien Premiumabo E-Paper & Web Web only Aboservice Kurzabo Informationen „Doch lassen wir uns nicht unterkriegen; bereits hat mit den ersten Frühlingstagen das nationale Festleben wieder begonnen und wird bis zum Herbst sein Wesen treiben“.[74]. Die drei gerechten Kammmacher | Und lulle mich mit Liedern ein! Das erste dieser Schriftstücke entstand 1862. Überhaupt ist „die eigentliche Kindheit“ seines Romanhelden, des „grünen“ Heinrich Lee, nicht erfunden, sondern „sogar das Anekdotische darin, so gut wie wahr“.[2]. [38] Seine kritischen Ansichten zur Dramaturgie entwickelte er im Briefwechsel mit Hettner, der sie 1852 in seinem Buch Das moderne Drama verarbeitete. Der Witwe Elisabeth Keller gelang es, das Haus und zunächst auch den Betrieb zu retten. Hier wurde 1822 die Schwester Regula geboren,[1] einziges von fünf weiteren Geschwistern Gottfrieds, das nicht im frühen Kindesalter starb. Letzteres sorgte in Zürich für Aufsehen; in St. Peter wurde gegen den Autor gepredigt. Er besuchte das Friedrich-Wilhelm-Städtische und das Königsstädtische Theater, wo Berliner Lokalpossen von David Kalisch und Wiener Volkskomödien gegeben wurden, Stücke, die es den Darstellern erlaubten, aus dem Stegreif bissige politische Bemerkungen einzuflechten und so die Zensur zu unterlaufen. „Wir haben nämlich in unserm Kanton eine trockene Revolution mittelst einer ganz friedlichen, aber sehr malitiösen Volksabstimmung gehabt, in deren Folge jetzt unsere Verfassung total abgeändert wird“, hatte er bereits 1868 seiner Brieffreundin Assing anvertraut; und weiter: Zu Kellers Überraschung bestätigte die neue Regierung ihn in seinem Amt. Den Anstoß zur Geschichte des Schneidergesellen Wenzel Strapinski, der in Kleider machen Leute für einen polnischen Grafen gehalten wird, verdankte der Dichter seiner Tätigkeit im Zentralkomitee für Polen und seiner Verbindung mit dem polnischen Emigranten Władysław Plater. Anfang 1860 war er so verzweifelt, dass er seinen Verlegern – erfolglos – den liegengebliebenen Kleinen Romanzero anbot, obwohl er das Unpassende einer solchen Veröffentlichung empfand: Heine war 1856 gestorben und auf dem Büchermarkt tummelten sich allerlei zweifelhafte Nachrufe. Sein Französischlehrer, der Zürcher Geistliche Johann Schulthess (1798–1871), dessen Unterricht er besonders schätzte, machte ihn mit französischen Schriftstellern bekannt, darunter Voltaire, sowie – in französischer Übersetzung – mit dem Don Quijote, einem Werk, das lebenslang zu Kellers Lieblingsbüchern zählte. [19], Der Dichter nahm 1844 und 1845 an den beiden Zürcher Freischarenzügen nach Luzern teil, von denen er mangels Feindberührung heil zurückkehrte. Man bot ihm 1854 eine Dozentenstelle am neu gegründeten Polytechnikum, der heutigen ETH Zürich, an. Woge, du Welle, walle zur Wiege!“[75] urteilte er später über Wagner ziemlich hart: „seine Sprache, so poetisch und großartig sein Griff in die deutsche Vorwelt und seine Intentionen sind, ist in ihrem archaistischen Getändel nicht geeignet, das Bewußtsein der Gegenwart oder gar der Zukunft zu umkleiden, sondern sie gehört der Vergangenheit an.“[76]. Bandes: „Der gefrorne Christ“. Der Landvogt von Greifensee | Mit seinen Stipendiengebern einigte Keller sich darauf, nicht wie vorgesehen eine der damals hoch im Kurs stehenden Orientreisen zu unternehmen, sondern die Arbeit an seinen Theaterstücken in Berlin fortzusetzen. Der gegen Keller voreingenommene Schulleiter, Johann Ludwig Meyer (1782–1852), Kirchenrat und gewesener Eherichter,[4] glaubte ihnen aufs Wort und formulierte den Antrag: „Gottfried Keller ist aus der Schule gewiesen und dieses seiner Mutter von Seiten der Aufsichtskommission anzuzeigen.“[5] Der Antrag wurde angenommen, dem knapp Fünfzehnjährigen war damit der weitere schulische Bildungsweg versperrt. Aus seiner Knabenzeit haben sich neben phantasievollen Wasserfarbenbildern auch einige kleine Theaterstücke erhalten, die er, von Darbietungen gastierender Wanderbühnen angeregt, für seine Spielgefährten schrieb und mit ihnen aufführte. Anders sein „Aufruf zur Wahlversammlung in Uster“ im Herbst 1860 während des Savoyerhandels: Keller exponierte sich darin als Federführer einer Initiative zur bevorstehenden Nationalratswahl und griff die „Unselbständigkeit der Gesinnung“ der bisherigen Zürcher Abgeordneten an, bei denen es sich um – zumeist beamtete – Gefolgsleute des „Princeps“ Alfred Escher handelte, die es nach Ansicht Kellers und seiner Mitstreiter an entschlossenem Widerstand gegen die Missachtung der Schweizer Neutralität durch Napoleon III. Lieber es wissen, als mich vielleicht heimlich immer für ein gewaltiges Genie halten und darüber das andere vernachlässigen.“[14] Wenig später sandte er seinem ehemaligen Lehrer Julius Fröbel, inzwischen Herweghs Verleger, einige Gedichte zur Beurteilung. 1883 veröffentlichte Hertz Kellers Gesammelte Gedichte. Trotz der Bedenken seiner Mutter und ihrer Ratgeber entschied er sich für die Landschaftsmalerei. Vgl. Stattdessen fing er, um seinem gebrochenen Herzen Erleichterung zu schaffen, auf nächtlichem Heimweg Prügeleien mit Unbeteiligten an, Vorfälle, auf welche die Bemerkung über Kellers Fäuste anspielt und von welchen er ein blaues Auge und eine Geldbuße davontrug. Im Zwiespalt mit sich selbst und von ihrer Umgebung gedrängt, das gegebene Jawort zu brechen, mag der Freitod ihr als einziger Ausweg erschienen sein. Daraufhin eilte Keller von Glattfelden „ohne etwas zu genießen, nach der entfernten Hauptstadt, seiner bedrohten Regierung beizustehen“. Im „Waldhorn“, dem Haus des liberalen Politikers und Gelehrten Christian Kapp, begegnete Keller dem Philosophen Ludwig Feuerbach, der, seines Erlanger Lehramts enthoben, von revolutionären Studenten nach Heidelberg eingeladen worden war und dort im Rathaussaal vor einem aus Arbeitern, Bürgern und Akademikern gemischten Publikum Vorträge über das Wesen der Religion hielt. Dann machte er der Saaltochter Lina Weißert (1851–1910) einen Heiratsantrag. Waga! Zorn und Aufregung bemächtigen sich breiter Volksschichten. Es entstanden Natur- und Liebesgedichte nach klassisch-romantischem Muster, vermischt mit politischen Gesängen zum Ruhme der Volksfreiheit gegen Tyrannei und Geistesknechtschaft. Keller erwartete, entlassen zu werden. Ludmilla Assing, die sich auf der Durchreise nach Italien mehrmals in Zürich aufhielt, beriet er im Prozess wegen der in Zürich verlegten, in Preußen verbotenen Varnhagenschen Tagebücher und korrespondierte mit ihr bis 1873. April 1869 bei hoher Wahlbeteiligung mit großer Mehrheit angenommen wurde. Keller an Hettner, 16. Einige von diesen lebten auf den Irrfahrten ihres Exils zeitweilig in Zürich, so der philosophisch-politische Publizist Arnold Ruge und, neben Georg Herwegh, auch Ferdinand Freiligrath und Hoffmann von Fallersleben. Phototypie nach Arnold Böcklins Vorlage,Frontispiz zu Band 9 der Gesammelten Werke, 1889, Außerhalb der Schweiz war Keller im deutschen Sprachgebiet bis zum Beginn des Zweiten Kaiserreiches nahezu vergessen. [34] Er schrieb dort in qualvoller, oft monatelang unterbrochener Arbeit den Grünen Heinrich und brachte danach „in Einem glücklichen Zug“[35] die Novellen des ersten Bandes der Leute von Seldwyla zu Papier. In: Walter Morgenthaler: „Regenliedchen für Line. Ein hochgestellter Politiker des Escher-Lagers, Franz Hagenbuch, Förderer Kellers und Wagners, entwarf einen verwegen scheinenden Plan zur Unterbringung des Dichters im Staatsdienst. Beim Festbankett lernte Keller den jungen Wiener Rechtsgelehrten Adolf Exner kennen, zu dem er sogleich eine herzliche Freundschaft knüpfte. Doch die Summe von 1800 Franken, die dabei zusammenkam, reichte nicht aus. Zur gleichen Zeit beteiligte er sich an der militanten Bewegung, die 1848 zur staatlichen Neuordnung der Schweiz führte. Von Follen erneut redigiert, kam die ganze Sammlung 1846 unter dem Buchtitel Gedichte im Heidelberger Verlag von C. F. Winter heraus. Auch ein später wieder verworfenes Eingangskapitel zum Grünen Heinrich ist in Heidelberg entstanden. So legte er im Juli 1876 sein Amt nieder, um sich uneingeschränkt der Schriftstellerei zu widmen. Er übertrug sie Weibert, der 1873 eine Neuausgabe der Leute von Seldwyla herausbrachte. Zwei der Hoffnungen, mit denen er nach Berlin gekommen war, blieben indessen unerfüllt: Die Schriftstellerei gewährte ihm kein Auskommen und seine Theaterstücke gediehen nicht über Entwürfe hinaus. An sie richtete er noch lange Zeit gehalt- und humorvolle Briefkunstwerke. In den zwei Jahrzehnten nach Kellers Tod, unter dem Eindruck von Baechtolds Biographie und der wiederholt nachgedruckten zehnbändigen Gesamtausgabe, häuften sich in Feuilletons und literaturwissenschaftlichen Fachzeitschriften die Beiträge zu Keller. Cheats Datenbank mit Tipps, Tricks, Komplettlösungen, Exploits und Trainern. Von Zürcher Regierungsseite mangelte es nicht an Initiative, ihn auf gute Art unterzubringen. In weniger als einem Jahr war ein Verfassungsrat gewählt – mit Keller als zweitem Sekretär – und eine neue Verfassung ausgearbeitet, welche am 18. Keller nahm darin die Auswüchse der demokratischen Agitation von 1867/68 und den reformatorischen Eifer einiger liberalen Theologen aufs Korn. Stärker noch sind die zeitgeschichtlichen Bezüge im Verlorenen Lachen, einem zur Novelle komprimierten Schlüsselroman. Unter dem Gründungsrektor Lorenz Oken lehrten dort neben Fröbel der Chemiker Carl Löwig, der Mediziner Jakob Henle, der Theologe und Orientalist Ferdinand Hitzig, der politische Publizist Wilhelm Schulz und, für wenige Monate, dessen Freund, der in Zürich früh verstorbene Naturwissenschaftler und Dichter Georg Büchner. [97], Außerhalb seiner Amtsgeschäfte wirkte Keller 1863–65 als Sekretär des Schweizerischen Zentralkomitees für Polen, einer politisch-humanitären Hilfsorganisation, die er beim Ausbruch des polnischen Januaraufstandes mit ins Leben gerufen hatte. Dietegen | Im Jahre 1839 zeigte Keller erstmals, welcher politischen Partei er sich zugehörig fühlte. : Georg Henrik von Wright, Kollege und Nachlassverwalter Wittgensteins, schreibt: “Wittgenstein sometimes read to me from his favorite authors, for example, from Grimm’s Märchen or Gottfried Keller’s Züricher Novellen. Bandes). In Marcel Reich-Ranickis Sammelwerk Der Kanon figuriert der Der grüne Heinrich unter den 20 Romanen, die heutigen deutschsprachigen Lesern empfohlen sind. Lebhaft habe er empfunden, wie dabei „das arme Volk und der an sich selbst verzweifelnde Philister Genugtuung findet für angetane Unbill“. „Niemand beklage diese Wendung im Leben des Dichters! Hadlaub | [16] Follen, der selbst dichtete, wurde Kellers Mentor und überarbeitete seine Verse – nicht zu deren Vorteil. Doch blieb seine wirtschaftliche Lage weiter prekär: Ohne die freie Kost und Wohnung bei der Mutter, zu deren Haushaltung auch Regula Keller durch ihren Verdienst als Verkäuferin beisteuerte, hätte er nicht leben können. Der „Züriputsch“ wurde zwar blutig niedergeschlagen, aber auch die liberale Regierung stürzte, und es begann eine mehrjährige Vorherrschaft der Konservativen. In wenigen Monaten vollendete er die ersten fünf Erzählungen dieses Zyklus, Pankraz, der Schmoller, Frau Regel Amrain und ihr Jüngster, Romeo und Julia auf dem Dorfe, Die drei gerechten Kammmacher und Spiegel, das Kätzchen. Der Schmied seines Glückes | Im Hause Freiligraths (in Meienberg ob Rapperswil) lernte er dessen Schwägerin Marie Melos kennen und verliebte sich in sie, ohne ihr seine Liebe zu erklären. „Spürbarer Frohsinn, gezeichnet von einer leisen Wehmut, verlieh ihr zu den schon vorhandenen Anlagen noch besonderen Adel.“[103] Sicher ist, dass sich die junge Musikerin zu dem Dichter hingezogen fühlte; anzunehmen auch, dass sie sich der Ehe mit dem in schonungslose Parteikämpfe verstrickten Politiker nicht mehr gewachsen fühlte, als ihr von Wohlmeinenden hinterbracht wurde, was dessen neue und alte Feinde ihm nachsagten: Trunksucht, Rauflust und Gottlosigkeit. Jakob Dubs, sein Mitstreiter aus den Tagen der Freischarenzüge und inzwischen Schweizer Nationalrat, veranlasste die Gründung einer kleinen Aktiengesellschaft zur Rettung Gottfried Kellers vor dem Schuldgefängnis. Viele von ihnen verkehrten in Follens Haus „zum Sonnenbühl“, wo sich auch die von Straußenhandel und Züriputsch versprengten Liberalen allmählich wieder sammelten und mit Exilanten verschiedenster Couleur und Nationalität zusammentrafen, unter ihnen der Anarchist Michail Bakunin und der Frühkommunist Wilhelm Weitling. Als eine Kommission den Vorfall untersuchte, redeten die wahren Schuldigen sich heraus und gaben Gottfried als Rädelsführer an. [60] Im Mai lag der vierte Band endlich in den Buchhandlungen. Lina wies das Ansinnen des inzwischen Dreiundfünfzigjährigen höflich-kühl zurück. Auch sorgte die ungebrochene Tradition der liberalen Asylpolitik für den Zustrom talentierter Reaktionsflüchtlinge aus Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien. „Ich bitte ernstlich, nicht an mir zu verzweifeln etc.“, rief er ihnen zu. Er lernte ohne Mühe und zeigte früh das Bedürfnis, sich malend und schreibend auszudrücken. Das erste Honorar war verbraucht, der erste Dichterruhm verrauscht; mit literatur- und kunstkritischen Beiträgen, wie er sie für die Neue Zürcher Zeitung und die Blätter für literarische Unterhaltung verfasste, war kein Lebensunterhalt zu verdienen; weder war er für die Publizistik, die den kenntnisreichen Schulz ernährte, überhaupt geschaffen, noch ein Kaufmann wie Freiligrath, der bereits 1846 eine Anstellung in London gefunden hatte und samt Familie dorthin verzogen war. Wenige Wochen später nahm Luise sich an ihrem Heimatort das Leben. April und 10. Im Frühsommer zog er in die unter Ludwig I. frisch aufgeblühte Kunstmetropole und Universitätsstadt, die Maler, Architekten, Kunsthandwerker aller Art sowie Studenten aus dem gesamten deutschen Sprachraum anzog, darunter viele junge Schweizer. Sechs Wochen später war der Neuling an der Spitze der Staatskanzlei so gut eingearbeitet, dass die Zürcher Freitagszeitung, die sich durch Kritik an seiner Berufung hervorgetan hatte, Anlass sah, ihm zu gratulieren. Er hörte bei ihm jenes anthropologische Kolleg, das im Grünen Heinrich verarbeitet ist. Darauf erkrankte er an Typhus. Rudolf Keller, Sohn eines Küfers, war nach Handwerkslehre und mehrjähriger Wanderschaft durch Österreich und Deutschland in sein Heimatdorf zurückgekehrt und hatte um die Tochter des dortigen Landarztes geworben. [102] Über das Motiv gibt es keine Gewissheit. Abonnenten-Status: Zur Zeit kein aktives Abonnement Abonnenten-Status: Jetzt Upgraden. Das Freundestrio Keller, Schulz, Freiligrath – der eine inzwischen Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung, der andere Mitherausgeber der Neuen Rheinischen Zeitung – hatte sich zum Jahreswechsel 1848/49 in Darmstadt, Schulz’ Wahlbezirk, wiedergesehen. Schon Ende 1856 während des Neuenburgerhandels hatte er sich der parteiübergreifenden Volksbewegung zur Abwehr einer preußischen Invasion angeschlossen und per Leitartikel eine Ermutigungsadresse „An die Hohe Bundesversammlung“ gerichtet. Am Mondsee begann er sogar wieder zu malen. Keller zufolge war Hoffmann sein eigentlicher Entdecker, als er nach einem Blick in das Manuskript, das bei Follen gelandet war, den Dichter schleunigst herbeiholen ließ. Die Geisterseher | Unvollendet blieb der zweite Band. März 2021 um 21:53 Uhr bearbeitet. Hatte man mit dem Jahresgehalt von 5000 bis 6000 Franken einem Frondeur den Mund stopfen wollen? Keller besaß nun zwar einen Namen als Dichter und Erzähler. Dieser „wirkliche Meister“ litt jedoch an Wahnvorstellungen und brach schon im folgenden Frühjahr seinen Aufenthalt in Zürich ab.